Kleines testament
Hannes waderdie, wie man in der Presse liest, im Grunde längst verkümmert ist,
hab ich noch schnell vor Toresschluss von Wohlstand, Luxus und Genuss,
von Ausschweifung ganz ausgelaugt, am Euter Franz Villons gesaugt,
aus dem die Milch der Wahrheit fließt, doch nur, wenn der ein Dichter ist,
von dem er angemolken wird. Bei mir hat er sich nicht geziert.
So hab ich während einer Nacht dies kleine Testament gemacht:
Sollt ich mein Leben bald verliern, vermache ich mein krankes Hirn
Professor Doktor Pillerman. Der untersucht es, schlägt es dann
mit einer Nudelrolle platt und kocht es aus bei tausend Grad
und legt es dann in Spiritus, wo es ganz fest unter Verschluss
weit von der Wirklichkeit entfernt noch akademisch denken lernt.
In Deutschland, der Kulturnation, schätzt man den Dichter immer schon betrachtet man es mal genau nicht höher ein als eine Sau, die im Dreck nach Futter gräbt, verachtet wird, solang sie lebt. Ist sie dann eines Tages tot, befreit man sie von Schmutz und Kot, deckt sich mit ihren Innerei'n für lange, harte Winter ein.
So könnt es mir wohl auch ergehn. Drum will ich, das wird man verstehn, wie selbst das allerdümmste Schwein zu Lebzeiten gemästet sein.
Dem Schlachter, der mir ganz zuletzt das Messer an die Kehle setzt, dem rat ich und auch seiner Frau: Falls sie noch nach der Tagesschau schnell einen Schlachter zeugen wolln, dass sie an Sülze denken solln und dass sie bei gelöschtem Licht ja nicht mehr tun als ihre Pflicht. Sonst kommt als Schande für das Haus noch ein Dichter dabei raus.
Doch hätt ich meine Lieder gern statt einem Schallplattenkonzern unserm deutschen Volk vermacht. Doch nimmt es, hab ich den Verdacht, mein Geschenk erst gar nicht an wobei ich mich auch irren kann. Es hält mich, bilde ich mir ein, längst nicht mehr jeder für ein Schwein. Es wurden auch schon Stimmen wach, die weisen mir eindeutig nach, dass ich ein blöder Esel sei und mein Gesang 1-A-Geschrei. Doch auch als Esel will ich nun den Massen was zugute tun.
Statt meiner Lieder biet ich dann meinen Kieferknochen an.
Denn Samson, denkt einmal daran, schlug er nicht an die tausend Mann mit einem Eselskiefer tot?
Deswegen dieses Angebot:
Wenn sich das Volk einmal empört, sich gegen alle Herrschaft wehrt, es meinen Kiefer bei sich trägt und auf bourgeoise Schädel schlägt.
Ich habe mich mit Vorbedacht im Fernsehn immer rar gemacht. Doch weil ich auch kein Unmensch bin, bestimme ich jetzt immerhin, sollte ich gestorben sein, meinen Kadaver auszuleihn für eine Fernseh-Monsterschau. Doch achte man darauf genau, dass man die Leiche gut geschminkt, in vollem Wichs, bevor sie stinkt, festbindet an ein Mikrofon, so wie EI Cid, ihr wisst ja schon, tot auf sein Pferd gebunden war. Dazu soll man noch eine Schar Go-Go-Go-Girls engagiern, die meine Verse überschmiern mit süßem dub-du-ah-uh-ah, damit das Volk am Bildschirm ja als Sahnetörtchen runterfrißt, was Vollkornbrot gewesen ist, solange ich der Bäcker war.
Das stell ich hier noch einmal klar, weil ich noch lebe, hinterher juckt mich das nicht mehr so sehr.
Und nun zu jenem kleinen Mann,
den ich nur schlecht beschreiben kann, weil er hier nicht genannt sein will. Denn lieber lauert er ganz still im Dunkeln, bildet sich viel ein und hängt sich überall mit rein.
Dabei wiegt dieser Himmelhund,
wenns hoch kommt, nur ein vierten Pfund. Ich ahne, so gut kenn' ich ihn, daß er, wenn ich gestorben bin, von meinem Tode unberührt sein Eigenleben weiterführt.
Wenn diese Ahnung sich erfüllt, begrabt ihn auf der Insel Sylt in Kampen am Nacktbadestrand, nicht allzutief im Dünensand. Ich denke, daß ihr mich versteht, wenn ihr die hübschen Mädchen seht, im Sande sitzend, braun und nackt, und eine zu der andern sagt: Zwar weiß ich, Hannes, dieser Schlot, ist schon seit einer Woche tot. Doch könnt ich wetten, er ist hier, ich spüre was von ihm in mir...
Fürs erste mach ich jetzt mal Schluss, obwohl ich eingestehen muss, daß manches noch zu sagen wär. Ein andres Mal erzähl ich mehr. Denn ich möchte, daß ihr wißt, wenn dies auch mein Vermächtnis ist, daß ich noch lang zu leben hab. Bin ich dann tot, solln um mein Grab auch jene Journalisten stehn, die Schmeißfliegen so ähnlich sehn. Wer fräße sich denn sonst da satt, wo unsereins geschissen hat? Für die geb ich noch aus dem Grab ganz kurz eine Erklärung ab. Statt einer Rede laß ich bloß einen letzten Rülpser los, tief grollend aus dem Untergrund. Die Hölle öffnet ihren Schlund, schluckt unzerkaut das Lumpenpack. Doch weil sie diesen Fraß nicht mag, kotzt sie den widerlichen Schmaus gleich angeekelt wieder aus. Ich hab die Bande jedenfalls ein für allemal vom Hals.
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