Heinz rudolf kunze

Tohuwabohu

Heinz rudolf kunze
So wie man Ende der 60er Jahre
eben Helga hieß, wenn man als Mädchen
oben mitspielen wollte ... aber
ich war ja nicht mal ein Mädchen.

Ich korrigierte das Ende des Zweiten Weltkriegs,
mein böser Onkel trank Asbach,
kotzte vom Balkon und sah Studentinnen nach,
mit Blumen im Haar.

Ich saß zwischen Hundegebirgen in karierten Gärten,
spielte Wandergitarre, wie im CVJM gelernt,
und konnte mich nicht entscheiden
zwischen Reinhard Mey und Kick Out The Jams, Motherfuckers.

Tohuwabohu.

Mitten in der Mathestunde
entdeckten sie, ich brauchte eine Brille.
Von GRZIMEKS TIERLEBEN lernte ich Onanieren.
In nichts war ich gut,
außer in Angst,
das kann man nicht lernen,
das hat man.

Hätte ich mit Vierzehn gewußt, in welche
Raserei mich heute Unordnung bringt,
ich hätte mir die Pulsadern aufgebissen.
Mein bester Freund verließ mich für meine erste Freundin.
Einen langen Moment war ich sicher,
das sei nicht wieder gutzumachen.
Er dauert noch an.

Tohuwabohu.

Im Unterricht hob ich meine häßlichen Pullis bis an die Brustwarzen
("Sei ganz ruhig! Du bist unter Feinden!"),
der Lehrer fragte
PROBLEME MIT DER UNTERWÄSCHE?

Seit damals schiebt wieder und wieder
der gräßliche Zwilling die Kennkarte quer in meinen Kopf
und reißt mir die lächelnden Mundwinkel blutig,
verläßt mich niemals ganz der Wunsch
nach hunderteinunddreißig Tagen
Koma.

Tohuwabohu.

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